Der Kürbis und der Himmel
Herr Wagner stand an der Küchenzeile. Vor sich hatte er einen mittelgroßen Kürbis, in den er eine gruselige Fratze schnitzte. Er hob ihn an,
um zu prüfen, ob ihm sein Werk gelungen sei.
“Irgendetwas fehlt mir an dir. Aber was?“, murmelte er leise in seinen Bart. „Jetzt weiß ich es. Ein LED-Licht!“
Er stellte den Kürbis wieder auf die Ablage und ging nach hinten zu einem Schrank, aus dem er eine LED-Kerze nahm. Als Herr Wagner zurückkam, leuchtete der Kürbis bereits, obwohl er die Beleuchtung noch in der Hand hielt.
„Ich habe mir schon während des Schnitzens gedacht, dass du besonders bist. Aber damit habe ich nun nicht gerechnet. Ich werde dich nicht verkaufen, sondern zu Hause aufstellen.“, sprach er den Kürbis leise an.
Plötzlich klingelte es an der Tür und Herr Wagner zuckte zusammen. Er hob seinen Arm, an der eine Apple Watch ist, blickte kurz auf die Uhrzeit und ging Richtung Tür.
Draußen fragte der 9-jährige John seinen Vater Sven, der neben ihm stand und besorgt in den Himmel starrte: „Soll ich noch mal klingeln oder klopfen?“
„Entschuldigung, was hattest du gesagt?“, erwiderte sein Vater zögerlich, als hätte er gerade einen Geist gesehen. Bevor der Junge seine Frage
wiederholen konnte, öffnete sich auch schon die Tür und Herrn Wagners altes, müdes Gesicht erschien in der dunklen Öffnung.
„Oh, es sieht aber nach Regen aus.“ sagte er. „Hoffentlich wird es morgen trocken bleiben. Sonst wäre es für die Kinder ziemlich ärgerlich, oder?“
Sven blickte zu seinem Sohn, dann wieder in den Himmel und nickte Herrn Wagner schließlich zu. „Das wäre wirklich sehr schade für die Kinder,
hoffen wir einfach aufs Beste.“.
John wurde von Minute zu Minute ungeduldiger, als er schließlich fragte:
„Haben Sie einen gruseligen Kürbis für uns, den ich zu Hause auf dem Gartenzaun aufstellen kann?“
Herr Wagner machte das Deckenlicht im Flur an, so dass man ihn besser sehen konnte. Er trug eine Schürze, auf der gelbe und orange Flecken waren. Er lächelte den beiden zu und deutete mit seiner faltigen Hand ins Innere des Hauses. John und sein Vater folgten dem alten Mann. Bevor Sven die Haustür hinter sich schloss, blickte er nochmals zurück in den Himmel.
Am anderen Ende des langen Flurs öffnete Herr Wagner eine Tür und meinte: „Dies ist mein Lager. Schauen Sie sich in Ruhe um. Ich bin in einigen Minuten wieder zurück.“
Als John eintrat, fingen seine Augen an zu leuchten. Mit schnellen Schritten ging auf die Kommode zu, auf der ein Kürbis stand, der hell Orange
leuchtete.
„Leider ist dieser Kürbis nicht zu kaufen.“ sagte Herr Wagner mit Stolz und etwas Traurigkeit in der Stimme, als er den Raum wieder betrat. „Das ist ein besonderes Meisterwerk von mir. Allerdings noch nicht fertig gestellt habe.“
John drehte sich zu seinem Vater um und blickte ihn flehend an. Der Blick schien zu sagen, dass er nur diesen besonderen Kürbis haben möchte und keinen anderen. Sein Vater Sven seufzte tief und sah wiederum Herrn Wagner direkt ins Gesicht. Der nickte schließlich und sah mit einer so
traurigen Miene zu seinem Meisterwerk, dass Sven ihm ein Versprechen gab. Er und sein Sohn John sagten ihm zu, dass der Kürbis nicht im Garten aufgestellt wird, sondern einen ganz besonderen Platz im Wohnhaus der beiden bekommen würde. Und sie werden ihn gründlich pflegen.
Als sie wieder vor der Haustür standen, blickte Herr Wagner erst Sven an, dann den Kürbis und dann in den Himmel. „Ich glaube es wird nicht über Halloween regnen, der Kürbis hält seine schützende Hand über unsere Stadt.“
Er sah die Verwirrung in den Gesichtern der beiden Besucher, deutete nach oben und sie rissen vor Überraschung die Augen weit auf. Der Himmel war nicht mehr blau, sondern orange wie ein Kürbis. Sven nahm die dargebotene Hand von Herrn Wagner und drückte sie herzlich. Dann zeigte er auf den Kürbis. Nun blickten alle neugierig auf den Kürbis und sahen die rhythmisch blinkte Gravur. Auf dem Kürbis standen die beiden Worte
HAPPY HALLOWEEN!
Artikel veröffentlicht am am 31 auf https://martinkrefta.de/2021/10/der-kuerbis-und-der-himmel
Artikel-Bild erstellt von Content Nation mittels Stable Diffusion.